pädagogische Ziele + Leitlinien

Wir wollen einen gesunden, gestalteten Lebensraum und Lebensrhythmus schaffen, in dem sich das Kind wohlfühlen und all seine Spielbedürfnisse entfalten kann.
Kinderraum soll Spielraum werden – im Elternhaus und im Kindergarten.

Wir wollen fördern, was das Kind selber für seine Entwicklung fordert. Erzieher/innen und Eltern sind aufgerufen, das Kind liebevoll zu schützen, zu pflegen und zu begleiten.

Wir achten das Kind als einen vollen Menschen und fördern es in seinen Möglichkeiten, damit es seine individuellen Anlagen und Intentionen verwirklichen kann.
Ein Kind ist viel mehr, als es scheint.



Qualitätsentwicklung

 

 

In der pädagogischen Arbeit richten wir uns nach dem Orientierungsplan des Landes Baden-Württemberg und den Leitlinien der internationalen Vereinigung der Waldorfkindergärten Baden-Württemberg. Um unsere pädagogischen Arbeit kontinuierlich zu verbessern, arbeiten wir mit einem anerkannten Qualitäts-Management-Verfahren (GAB).

 

 

Wöchentlich finden Gruppen- und Teamkonferenzen statt, in denen organisatorische, pädagogische und konzeptionelle Themen bearbeitet werden. Wenn es sich für die Entwicklung der Kinder als sinnvoll und notwendig erweist, suchen wir den fachlichen Austausch mit Therapeuten*innen, mit der Kindergartenärztin oder mit anderen Beratungsstellen. In regelmäßigen Abständen arbeiten wir mit einem Kinderarzt, Heilpädagogen und Mediator zusammen. Einmal im Monat findet eine fortlaufende Supervision statt.



Exkurs in die kleinkindliche Entwicklung

 

Die Methodik und die Didaktik der Waldorfpädagogik richten sich vorrangig nach den Gesetzmäßigkeiten kindlicher Entwicklung und sind somit bestrebt, die gesunde körperliche, seelisch-geistige und soziale Entwicklung des Kindes zu fördern.

 

 

 

Was heißt das für das Kleinkindalter bis zum Schuleintritt?

Die Zeit bis ungefähr zum 7. Lebensjahr ist in der menschlichen Biografie die Zeit der körperlichen Reifung.

Geboren wird der kleine Mensch mit allen Anlagen und Organen. Das Ausreifen der Organe, das Vernetzen der Nerven im Gehirn, das Ausbilden der Organrhythmen und deren Zusammenspiel vollziehen sich jedoch erst im Laufe dieser ersten sieben bis max. neun Jahre. In diesem Lebensabschnitt werden daher die Weichen für die gesundheitliche Konstitution des ganzen Lebens gestellt, und mit dem Ausdifferenzieren des Gehirns wird außerdem der Boden bereitet für späteres Lernen können.

Diese Entwicklung des Gehirns vollzieht sich aber nicht vornehmlich – wie häufig angenommen – über schulmäßige Wissensvermittlung, sondern über Bewegung und Sinnestätigkeit (sensomotorische Integration).

Bewegung und auch Rhythmus sind beides Eigenschaften der Lebensprozesse und kurbeln die gesamte körperliche Reifung an. Die Organrhythmen und deren Zusammenspiel bilden sich vor allem durch einen gesunden äußeren Rhythmus aus.

 

Im Waldorfkindergarten wird dieser Kenntnis Rechnung getragen, indem das ganze Kindergartenleben sich rhythmisch gestaltet und die geführten und freilassenden Tätigkeiten immer im Rhythmus zwischen Aktivitäts- und Ruhephasen geschehen.

Die gesunde Körperentwicklung des Kindes im Vorschulalter geht jedoch Hand in Hand mit der seelischen Entwicklung. Beide, Körperbefindlichkeit und seelische Verfassung, sind eng miteinander verknüpft.  Die/Der Erzieher/in wirkt daher über eine heitere, anregende Atmosphäre positiv auf die seelische Gestimmtheit und damit indirekt auf das Körperbefinden des Kindes. Umgekehrt regt die/der Erzieher/in über die Sinnespflege und Bewegung das gesunde Körpergefühl des Kindes, das „Sich-Wohl-Fühlen in seiner Haut“ an und kräftigt damit indirekt das seelische Befinden des Kindes: es ist glücklich, hat Selbstvertrauen und ängstigt sich nicht. Dagegen neigen Kinder mit Sinnesdefiziten zu Ängsten.

 

Auch der verlässliche Rhythmus gibt den Kindern Sicherheit, Vertrauen und Geborgenheit.

 

 

 



Bildungs- und Entwicklungsfelder

Körper- und Organbildung

Wie wir wissen, findet in den ersten ca. sieben Jahren die körperliche Reifung statt (siehe Seite 7, Exkurs in die kleinkindliche Entwicklung). Vom hilflosen Säugling zum schulreifen Kind werden riesige Entwicklungsschritte zurückgelegt. Das Kind lernt in diesem Alter über die Nachahmung. Man kann auch sagen, dass es ganz Sinnesorgan ist. Es kann sich gar nicht verschließen.  In Gestik, Wortwahl, Tonfall, Gesichtsausdruck und in seinem ganzen Tun und Handeln ahmt es die Erwachsenen und die ganze Umgebung nach. Durch die Umgebung des Kindes, durch sensomotorische Integration, durch Rhythmus und Wiederholung wird nicht nur seine Gehirnstruktur gebildet, sondern alle Organe bekommen in dieser ersten Zeit ihre Form, die sich dann nur noch in der Größe verändern, nicht aber in der Gestalt. Sind sie gut ausgebildet, wachsen sie gut, sind sie schlecht ausgebildet, wachsen sie entsprechend schlecht.

Aufgrund dieses Wissens sind die wesentlichen Elemente im Waldorfkindergarten freilassende und geführte Bewegungsmöglichkeiten aller Art (ganzjähriger Wald Tag, Freispiel drinnen und draußen, Reigen- und Kreisspiele, Eurythmie, Rollenspiele) vielfältige Sinnestätigkeiten, Rhythmus und Wiederholung, Vorbild und Nachahmung.

Durch ein gesundes und positives Körpergefühl stellt sich im Kind ein positives seelisches Empfinden ein. Es ist glücklich und hat Selbstvertrauen. Beides wird ebenfalls durch die liebevolle, einfühlsame und wertschätzende Zuwendung und Pflege durch Erwachsene erlebt.

Auch die richtige Ernährung spielt eine wichtige Rolle für ein gesundes Körpergefühl. Deshalb bereiten wir jeden Tag das Frühstück mit den Kindern zusammen vor. Die Zutaten stammen ausschließlich aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft oder biologischem Anbau. Ebenfalls essen wir alle in geselliger Runde an einem großen Tisch, eingeleitet und beendet mit einem Tischspruch und -lied.

 

 

Sinne

Im Waldorfkindergarten bieten wir den Kindern vielfältige Sinneserfahrungen:

Spielen mit unterschiedlichen Naturmaterialien, Arbeiten mit echtem Werkzeug an der Werkbank, Brötchen backen, Filzen mit Kernseife, Kneten mit Bienenwachs, Basteln mit Wolle, Malen mit flüssigen Aquarellfarben, Klettern auf Bäume, Matschen in der Schlammpfütze und mit Sand und Erde, ganzjähriger Wald Tag, Reigen- und Kreisspiele, Eurythmie, Märchenkreis und Puppenspiele usw. Bei all diesen Tätigkeiten erwirbt sich das Kind Fähigkeiten. Seine Grob- und Feinmotorik und seine Sinnestätigkeit (Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn und Gleichgewichtssinn) werden in den unterschiedlichsten Spiel- und Handlungssituationen angesprochen. Es sind gerade diese Körpersinne, die wesentlich zur Gehirnbildung beitragen. Ebenfalls nehmen diese vier Sinne alle Vorgänge wahr, die sich in unserem Körper abspielen. Je differenzierter und je vielfältiger sie in Aktion treten können, umso stärker kann sich im Kind das vertrauensvolle Empfinden einstellen, in seinem Körper zu Hause zu sein, d.h. einerseits eine wachsende Bewegungskontrolle über seinen Körper erlangt zu haben und andererseits das Gefühl von Freiheit vom Körper erleben zu können. Ein Kind kann beispielsweise auf Bäume klettern, balancieren, durchs Unterholz laufen, auf unterschiedliche Art hüpfen usf. und sein Körper steht ihm dabei nicht im Weg.                    

Mit dem Beherrschen der Motorik durch die Körpersinne ist seelisch gleichzeitig das Gefühl des Urvertrauens verbunden. Sind diese Sinne schwach ausgebildet, können leicht Ängste im Kind auftreten.

Bei dem Begriff Sinnespflege wird schnell an Auge und Ohr gedacht, doch diese beiden Sinne fördern nicht die sensomotorische Integration im Gehirn. Im Gegenteil sind Augen und Ohren vieler Kinder „reizüberflutet“. Die Überforderung wird vom Gehirn nicht bewältigt und die Folge kann das zappelige Kind, das gefühlslabile Kind, das unkonzentrierte oder antriebslose Kind und später in der Schule das lerngestörte oder verhaltensauffällige Kind sein.

 

 


Sprachentwicklung

Der Spracherwerb findet nur in der lebendigen Interaktion von Mensch zu Mensch statt. Das kleine Kind braucht den Erwachsenen, der ihm seine Aufmerksamkeit und Zeit schenkt. Das wechselseitige Sprechen und Hören ist die Voraussetzung für jegliche Sprachentwicklung und Sprachförderung. Gelegenheit dazu bietet sich beispielsweise beim individuellen Begrüßen und Verabschieden, während der Spielzeiten, im Morgenkreis oder bei den gemeinsamen Mahlzeiten bei in Tischgesprächen.

Von großer Bedeutung für die Sprachkultur sind die vielen Sprüche, Reime, Fingerspiele, Lieder, Tänze, Reigen, Eurythmie, Geschichten und Märchen. Sie stellen einen enormen Wort - und Sprachschatz dar, den sich die Kinder über das Mitsprechen und Mittun im Laufe der Jahre aneignen.

Unterstützt wird die Sprachanregung durch die Feinmotorik der Finger, z.B. bei den täglichen Fingerspielen, da das feinmotorische Zentrum im Gehirn neben dem Sprachzentrum liegt und dieses stimuliert.

 

 

Denkentwicklung

In den ersten sieben Lebensjahren durchläuft das Kind eine unglaubliche Entwicklung in Bezug auf sein Denken, vom Greifen zum Begreifen, vom bildhaften, gegenständlichen Denken zur Abstraktion.

Lange bevor das Kind physikalische Gesetze bewusst handhabt oder mit Zahlen im engeren Sinne rechnet, erforscht es die Welt und bereitet sich so hervorragend auf seine künftige mathematische-naturwissenschaftliche Bildung vor. Beispielsweise im Umgang mit naturbelassenem zweckfreiem Material nutzt das Kind die Gelegenheit zum selbständigen Bauen und Konstruieren, Sortieren, Ordnen, Vergleichen und Ausprobieren. Es erlebt dabei auf spielerische Weise Maße, Gewicht, Qualität und Quantität, z.B. im Spiel mit Lehm, Sand, Erde, Wasser, Blättern, Holz, Wolle, Steinen…

Die Kinder begreifen Mengen und Zahlen auch z.B. beim Stuhlkreisstellen, Tischdecken, Zerteilen eines Apfels, beim Abmessen der Zutaten fürs Backen…

Erste chemische und physikalische Gesetze werden z.B. im Umgang mit den flüssigen Aquarellfarben gemacht (aus Primärfarben werden Sekundärfarben gemischt) oder dem Kneten mit Bienenwachs (zu Beginn ist es hart, durch die warmen Hände wird es weich).

Über seelisch gesättigte Erfahrungen hinaus sollen das natürliche Staunen und die produktive Neugierde bis in die Schulzeit wachgehalten werden.

 

 


Gefühl und Mitgefühl

Im freien Spiel mit nicht festgelegtem Spielmaterial (siehe Seite 11, Das freie Spiel) eignen sich die Kinder in hohem Maße soziale Kompetenz an. Sie helfen sich gegenseitig beim Aufstellen der Spielständer, beim Zurechtlegen der Kuscheldecken im selbstgebauten Häuschen, beim Befestigen der Tücher als Hausdach und -wand, beim Knotenbinden mit den langen Filzbändern zur Stabilisation… Sie laden sich gegenseitig in ihre Häuser ein oder achten darauf, dass genügend Sitzplätze im Zug vorhanden sind, damit alle mitfahren können. Jeder kann bei dieser Art von Spiel seine Fähigkeiten und Ideen einbringen und damit die Gemeinschaft bereichern.

In der altersgemischten Gruppe lernen die jüngsten Kinder von den älteren und umgekehrt, in Wort, Tat, Spiel und Arbeit. Sie werden selbständig, lernen teilen, nachgeben, Kompromisse schließen, verzeihen, entschuldigen, aufeinander achten, sich gegenseitig helfen, führen und führen lassen, warten, ihre eigenen Grenzen und die der andern wahrnehmen, Konfliktfähigkeit und vieles mehr.

Die Basis jeder zwischenmenschlichen Beziehung ist die Bindung. Für die Entwicklung eines gesunden Urvertrauens benötigt das Kind konstante Bezugspersonen, die sensibel, authentisch und beständig sind im gemeinsamen Tun mit dem Kind. Nur in der persönlichen Begegnung und nicht über Medien lernt jedes Kind Gefühl und Mitgefühl. Über die Nachahmung lernt das Kind von der inneren Haltung und dem äußeren Verhalten der Erwachsenen.

 

 

Sinn, Werte und Religion

Unser Waldorfkindergarten ist eine christlich orientierte aber nicht konfessionell gebundene Einrichtung. Das Achten und Wertschätzen der Natur haben bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Wir sind jeden Tag bei Wind und Wetter draußen und einmal in der Woche den ganzen Vormittag über im Wald, achten auf Pflanzen und Tiere und nehmen die unterschiedlichen Jahreszeiten wahr.

Im Reigen werden die Jahreszeiten und christlichen Feste durch das ganze Jahr hindurch kreativ erlebt.

In der Erntedank Zeit z.B. gehen wir im Spiel zum Apfelbaum, ernten die Äpfel und bitten den Wind, einen schlafenden Apfel ganz oben im Baum aufzuwecken. Wir bedanken uns beim lieben Wind für seine Hilfe.

In der Michaeli Zeit befreit der Ritter mit seinem Schwert die Prinzessin im Turm, die von dem bösen Drachen bewacht wird. Wir bedanken uns beim St. Michael für seine Hilfe.

Im Advent spielen die Kinder das Christgeburtsspiel und im Januar das Dreikönigsspiel, und zwar nie als Theaterspiel, sondern als mitvollziehendes Erlebnis dessen, was vor über 2000 Jahren geschehen ist. Schon manch kleiner Wirbelwind war ein besonnener Joseph, eine sorgende Maria oder ein würdevoller Engel.

Vor dem gemeinsamen Frühstück wird ein Spruch gesprochen und abschließend gedankt.

Jeder Tag klingt mit einem Lied an den Schutzengel aus.

 

 


Geschlechterspezifische Erziehung

Im Sinne der geschlechterspezifischen Erziehung vertreten wir die Auffassung, dass Mädchen und Jungen die gleichen Erziehungsgrundlagen und eine neutrale Erziehungseinstellung vorfinden sollen. Jedes Spiel- und Handarbeitsmaterial und die Werkbank mit dem echten Werkzeug stehen allen Kindern beiderlei Geschlechts offen zur Verfügung und werden von Erzieher/innen unterstützt. So werden z.B. die Vorschulkinderarbeiten absichtlich so ausgewählt und zusammengestellt, dass Handwerkliches und Hauswirtschaftliches, Künstlerisches und Praktisches gleichermaßen in die Arbeit einfließt.

Bei Rollenspielen in der Freispielzeit, im Reigen, im Christgeburtsspiel und im Dreikönigsspiel wählen die Kinder selbst oder die Erzieher/innen, in welche Rolle sie schlüpfen möchten und dürfen, ohne sich dabei auf nur ein Geschlecht beschränken zu müssen.

Wenn Kinder in ihrer individuellen Entwicklung gefördert und gestärkt werden, erfahren sie dabei auch die Wertschätzung des Geschlechts. Im täglichen Umgang miteinander und in den oben genannten Beispielen erleben sie die Besonderheiten des anderen Geschlechts kennen und schätzen und lernen so, sich in ihrer Rolle als Junge und Mädchen auf eine gesunde Art und Weise hineinzufinden.

Unser Ziel ist es, die gemeinsamen und die unterschiedlichen Bedürfnisse von Jungen und Mädchen zu erkennen und ihnen gerecht zu werden. Unser Erziehungsprinzip ist dabei das beispielhafte Vorbild geben.

 

 


Grüttweg 16, 79539 Lörrach, Tel. +49 (0)7621 49762

info@waldorfkindergarten-loerrach.de